In der Türkei treffen sich die Außenminister der Nato. Generalsekretär Mark Rutte will die Mitgliedstaaten zu noch höheren Verteidigungsausgaben verpflichten. Deutschlands Außenminister Johann Wadephul signalisiert Zustimmung – und sucht demonstrativ die Nähe zu den USA.

Eine Analyse
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Der türkische Badeort Belek in der Nähe von Antalya ist ein Urlaubsparadies der Schönen und Reichen. In schlossartigen Hotels und auf 15 Golfplätzen lässt sich dort die Zeit totschlagen. Doch im Kongresszentrum will Nato-Generalsekretär Mark Rutte seine Verbündeten an diesem Donnerstag zu anderen Höchstleistungen antreiben. An der türkischen Riviera treffen sich die Nato-Außenminister. Und Rutte hat eine klare Botschaft an sie: "Wir müssen viel, viel mehr in unsere Verteidigung investieren."

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Rutte will am Morgen nicht über Zahlen reden. Doch hinter den Kulissen steht sehr wohl eine Zahl groß im Raum: Fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung sollen die Mitgliedsstaaten in Zukunft im weiteren Sinne für ihre militärische Sicherheit ausgeben. US-Außenminister Marco Rubio hat die Forderung schon vor einem Monat erhoben.

3,5 Prozent plus 1,5 Prozent: die neue Nato-Formel

Dabei haben die Staaten des Verteidigungsbündnisses in den vergangenen Jahren bereits mit einer geringeren Hürde gekämpft. Zwei Prozent der Wirtschaftsleistung sollte jedes Mitgliedsland in die Verteidigung investieren – auf dieses Ziel hatte sich die Nato 2014 verpflichtet. Doch das war vor Wladimir Putins Vollinvasion in der Ukraine, vor Donald Trumps lauten Zweifeln an seiner Bereitschaft, Europa im Notfall militärisch beizustehen.

Deutschland hat das Zwei-Prozent-Ziel im vergangenen Jahr mit Ach und Krach geschafft. Nun aber soll die Hürde also höher gelegt werden. Auch wenn Nato-Generalsekretär Rutte keine Zahlen nennen will – er hat mit US-Präsident Donald Trump ein Ausgabeziel von fünf Prozent offenbar bereits abgesprochen. Das berichteten die Nachrichtenagentur Reuters und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Bezahlinhalt). 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung sollen demnach bis 2032 in klassische Verteidigungsausgaben fließen – und weitere 1,5 Prozent in Investitionen, die für die Wehrhaftigkeit ebenfalls nötig sind wie intakte Brücken, Straßen und Cyber-Abwehr.

Auch ein Signal an die USA

Endgültig beschlossen würde das Ziel erst Ende Juni, wenn sich die Staats- und Regierungschefs der Nato in Mark Ruttes Heimatstadt Den Haag treffen – nach Einschätzung mancher Beobachter einer der wichtigsten Gipfel seit Ende des Kalten Krieges.

Es dürfte dabei auch darum gehen, Signale an zwei große Mächte zu senden. Erstens an Russland: Ein Angriff auf Nato-Territorium wäre gefährlich, wenn das Verteidigungsbündnis weiter so massiv aufrüstet.

Zweitens wäre ein neues Ziel auch ein Signal an die USA: Die europäischen Nato-Alliierten würden ihre Bereitschaft unterstreichen, selbst mehr in die eigene Verteidigung zu investieren. Im Gegenzug könnten sie von der US-Regierung verlangen, weiterhin eine schützende Hand über Europa zu halten.

Viele der 32 Nato-Mitgliedsländer dürfte die Fünf-Prozent-Marke vor große Herausforderungen stellen. Acht von ihnen haben noch nicht das Zwei-Prozent-Ziel erreicht. Für Länder wie Spanien oder Portugal sind solche Summen nicht nur finanziell schwer zu leisten – für sie ist auch die Bedrohung durch Russland deutlich weiter entfernt als für Ost- und Mitteleuropa.

Wadephul: "Fast völlige Übereinstimmung" mit den USA

Für Deutschland dagegen könnte das Ziel leistbar sein. Die neue schwarz-rote Koalition hat mit den angekündigten Sonderschulden für Verteidigung und Infrastruktur jedenfalls bessere Voraussetzungen als viele kleinere und ärmere Staaten. Außenminister Johann Wadephul (CDU) signalisiert beim Gipfel jedenfalls Zustimmung zur neuen Zielmarke.

"Deutschland unterstützt vollständig den Generalsekretär, der Vorschläge für den Nato-Gipfel in Den Haag gemacht hat", sagt er bei seiner Ankunft im Kongresszentrum. Und wird damit deutlicher als viele seiner Kollegen, die sich um konkrete Zusagen eher herumdrücken.

Der deutsche Chefdiplomat sucht in Antalya auffällig die Nähe zu den USA. Am Morgen hat er mit US-Außenminister Rubio gesprochen. "Wir hatten eine fast vollständige Übereinstimmung in den entscheidenden Fragen", sagt er. Damit wird es auch an Wadephul sein, die zögernden anderen Nato-Staaten von der höheren Hürde zu überzeugen.

Verwendete Quellen

Teaserbild: © dpa/AP/Pool Reuters/Umit Bektas