Wie dauerhaft ist die Waffenruhe zwischen Iran und Israel? Bei "Markus Lanz" (ZDF) stellte sich Roderich Kiesewetter auf die Seite der israelischen Regierung, während Nahost-Expertin Kristin Helberg kein gutes Haar an Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ließ.

Eine TV-Nachlese
Diese TV-Nachlese gibt die persönliche Sicht von Natascha Wittmann auf die Sendung wieder. Sie basiert auf eigenen Eindrücken und ordnet das Geschehen journalistisch ein. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Der israelischen Regierung wird bereits seit mehreren Monaten vorgeworfen, Kriegsverbrechen in Gaza zu begehen. Bei "Markus Lanz" verteidigte CDU-Politiker Roderich Kiesewetter die Politik Netanjahus nach den jüngsten Angriffen gegen den Iran. Dabei legte er sich nicht nur mit dem ZDF-Moderator, sondern auch mit Nahost-Expertin Kristin Helberg an, die dem CDU-Mann die Verbreitung "israelischer Propaganda" vorwarf.

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Das Thema der Runde

US-Präsident Donald Trump kündigte jüngst eine Waffenruhe zwischen Israel und dem Iran an. Doch nach nur kurzer Zeit warfen sich beide Länder vor, ebendiese gebrochen zu haben. Trump zeigte sich daraufhin empört und kritisierte beide Kriegsparteien aufs Schärfste. Grund genug für Markus Lanz, die Lage in Nahost näher zu beleuchten und die möglichen Motive Netanjahus in Bezug auf Iran und Gaza zu analysieren.

Die Gäste

  • CDU-Politiker Roderich Kiesewetter verteidigt die Angriffe Israels gegen den Iran mit den Worten: "Israel hat dem Nahen Osten mit dem Angriff auf Iran einen Sicherheitsdienst erwiesen."
  • Nahost-Expertin Kristin Helberg kritisiert die israelische Regierung und sagt: "Eigentlich ist Israel mittlerweile die Macht, die die eigene Hegemonie ausweiten will, mit unglaublicher militärischer Härte."
  • Atomwaffen-Experte Fabian Hoffmann warnt mit Blick auf das iranische Atomprogramm: "Eine Atombombe zu bauen ist gar nicht so kompliziert, wie wir alle häufig glauben."
  • Korrespondent Elmar Theveßen ordnet den von US-Präsident Trump verkündeten Waffenstillstand zwischen Iran und Israel ein: "Man merkt Trump an, wie frustriert er ist."
  • Korrespondentin Katrin Eigendorf schildert direkt aus Tel-Aviv: "Für diesen Krieg gegen Iran hat Netanjahu schon die Unterstützung der Bevölkerung."
Lanz, Roderich Kiesewetter, Kristin Helberg, Fabian Hoffmann, Katrin Eigendorf, Elmar Theveßen
Markus Lanz diskutierte am Dienstag mit (v.l.n.r.) Roderich Kiesewetter, Kristin Helberg, Fabian Hoffmann, Katrin Eigendorf und Elmar Theveßen. © ZDF / Cornelia Lehmann

Das Wortgefecht

Bei "Markus Lanz" bemängelte CDU-Politiker Roderich Kiesewetter, dass israelische Warnungen vor dem iranischen Atomprogramm zu lange von europäischer Seite ignoriert worden seien. "Netanjahu hat sehr früh, sehr rechtzeitig gewarnt", so Kiesewetter. Er ergänzte, dass Iran durchaus in der Lage sei, "innerhalb kürzester Zeit eine nuklearfähige Waffe herzustellen". Lanz reagierte irritiert und merkte in Bezug auf Netanjahus Warnungen an: "Herr Kiesewetter, bitte. Seit 30 Jahren erzählt jemand permanent, es ist kurz vor zwölf."

Während der ZDF-Moderator sagte, dass dies Grund genug zur Skepsis sei, widersprach Kiesewetter und bezeichnete Netanjahus Worte als "Frühwarnung". Ein Ausdruck, der Markus Lanz aufhorchen ließ. Er hakte ironisch nach: "Frühwarnung? 30 Jahre? Das ist natürlich wirklich vorausschauende Politik." Auch Nahost-Expertin Kristin Helberg konterte: "Herr Kiesewetter, es geht doch hier um Politik." Der CDU-Politiker entgegnete: "Ich weiß, dass Sie den Iran verteidigen." Er wiederholte energisch: "Seit 30 Jahren wird gewarnt!"

Markus Lanz ließ daraufhin nicht locker: "Seit 30 Jahren wird gewarnt, es ist fünf vor zwölf. Meine Frage ist, nutzt das jemand offenbar auch politisch?" Roderich Kiesewetter schüttelte entschieden mit dem Kopf und sagte: "Das sehe ich anders. Wir waren blauäugig." Davon ließ sich der ZDF-Moderator nicht beirren. Er fragte erneut: "Würden Sie ernsthaft sagen, das ist vorausschauende Politik?" Der CDU-Mann antwortete prompt: "Ja, ist es! Warum baut denn der Iran in 90 Metern Tiefe solche Anlagen?" Lanz reagierte genervt: "Nicht das Thema!"

Roderich Kiesewetter sagte: "Natürlich ist das das Thema!" Der Politiker erklärte weiter, dass nur der Iran festlege, "wann fünf vor zwölf ist". Eine Aussage, die den ZDF-Moderator irritierte: "Verstehe ich jetzt nicht. Kann ich nicht folgen." Roderich Kiesewetter erklärte daraufhin: "Wenn wir warten, bis der Iran die Bombe hat, dann ist es zu spät. (...) Aber das Entscheidende ist, dass Israel uns sehr früh darauf aufmerksam gemacht hat." Dem konnte Kristin Helberg nicht zustimmen. Sie warnte: "Netanjahu hat damit sehr wohl eine politische Doktrin begonnen. Diese Doktrin zielt darauf ab, das iranische Atomprogramm zum großen Thema in Israel und für die Verbündeten Israels zu machen."

Die Offenbarung des Abends

Aus Tel-Aviv berichtete ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf am Dienstagabend: "Für diesen Krieg gegen Iran hat Netanjahu schon die Unterstützung der Bevölkerung." Nahost-Expertin Kristin Helberg nickte zustimmend: "Mich wundert es nicht, dass die israelische Gesellschaft in großer Mehrheit hinter diesem Angriff steht, weil sie eben seit Jahrzehnten vorbereitet wird eigentlich mit der existenziellen Bedrohung, die Netanjahu so beschworen hat seit mehr als 30 Jahren."

Laut Helberg ist es Netanjahus Ziel, "die Region neu zu ordnen und Israel zu einer Art Hegemonialmacht aufzubauen und er ist eben eigentlich nur bereit, das mit militärischer Härte durchzusetzen". Helberg ergänzte, dass es "natürlich richtig" sei, dass sich das iranische Regime "ideologisch dieser Zerstörung" Israels verschrieben habe, "aber tatsächlich ist Israel zum jetzigen Zeitpunkt nicht von Feinden umgeben und auch nicht akut bedroht".

Laut der Nahost-Expertin gibt es immerhin mehrere Friedensverträge mit Israel, die bislang nicht aufgekündigt wurden - "trotz 20 Monaten Krieg in Gaza und dieser massiven Zerstörung". Helberg wurde deutlich: "Insofern ist da keine feindliche Umgebung, sondern da ist eine israelische Regierung an der Macht, die jetzt mit militärischer Gewalt ihre eigene Vision durchsetzt (...), nämlich ein Groß-Israel zu schaffen."

Eine Haltung, die Kiesewetter nicht teilen wollte. Er stellte klar: "Ich würde mich ja freuen, Frau Helberg, wenn es wirklich so ist. Aber alleine im letzten Jahr hat der Iran in zwei großen Angriffswellen Israel angegriffen." Helberg hielt dagegen: "Ich habe nicht vom Iran gesprochen, sondern von der unmittelbaren Nachbarschaft." Kiesewetter konterte: "Das ist unmittelbare Nachbarschaft, weil der Iran drei Arme hat - Hisbollah, Huthi und die Hamas." Kiesewetter ergänzte wütend: "Die Hisbollah bedroht das Existenzrecht Israels, genauso wie die Hamas!"

Auch Katrin Eigendorf machte deutlich, dass der Staat Israel "in seiner Existenz massiv bedroht" sei. Helberg räumte ein: "Ich habe nicht gesagt, dass die Menschen in Israel nicht bedroht sind. Natürlich gibt es eine Bedrohung durch genau diese Gruppen. Ich habe von den Regierungen der Umgebung gesprochen (...) und habe dem Narrativ widersprochen, dass Israel umzingelt ist von Feinden."

Der Erkenntnisgewinn

Bis zum Ende der Sendung verteidigte Roderich Kiesewetter die israelische Regierung und bezeichnete die Angriffe in Gaza mit Blick auf den 7. Oktober 2023 als gerechtfertigt. "Die Hamas provoziert diese Schäden", so der CDU-Politiker deutlich. Markus Lanz fragte dennoch: "Gibt es dort Kriegsverbrechen?" Der Politiker antwortete schwammig: "Natürlich gibt es dort Kriegsverbrechen. Aber es geht um Ursache und Wirkung."

Eine Aussage, die Kristin Helberg fassungslos machte: "Das ist wirklich israelische Propaganda gerade. Das ist ja nicht zu ertragen!" Kiesewetter hielt dagegen: "Ich mache keine israelische Propaganda. Frau Helberg, das weise ich zurück." Dennoch wetterte die Nahost-Expertin weiter: "Was Israel in Gaza bekämpft, ist nicht die Hamas, sondern sie bestraft kollektiv sämtliche Bewohner im Gazastreifen mit diesen militärischen Operationen." Als Kiesewetter dies als "falsch" bezeichnete, wurde Helberg erneut deutlich: "Israel tötet jeden Tag im Gazastreifen eine Schulklasse. Das ist keine Selbstverteidigung gegen die Hamas."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

Teaserbild: © ZDF / Cornelia Lehmann