Die Diskussion um einen sogenannten "Katzenführerschein" hat in Schleswig-Holstein neue Fahrt aufgenommen. Die alarmierenden Zahlen: Im Jahr 2023 wurden in dem Bundesland rund 2.850 Katzen getötet, in NRW sogar 11.000. Hilft ein Führerschein für Katzenbesitzer wirklich, das Problem in den Griff zu bekommen – oder führt er zu noch mehr Verwirrung und Ungerechtigkeit?

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Der Landesjagdverband Schleswig-Holstein sieht freilaufende und verwilderte Katzen als ernste Gefahr für die heimische Tierwelt. "Besonders bodenbrütende Vogelarten wie die Wiesenweihe, das Rebhuhn oder der Kiebitz sind stark betroffen. Studien zeigen, dass Katzen in Deutschland jährlich Millionen Wildtiere erbeuten – ein Problem, das durch eine effektive Regulierung minimiert werden könnte", heißt es anlässlich der Debatte über eine landesweite Katzenschutzverordnung in Schleswig-Holstein.

Tierschützer sehen solche Zahlen kritisch. So sagt etwa James Brückner, Leiter der Abteilung Wildtiere beim Deutschen Tierschutzbund: "Oft zitieren Jäger*innen wissenschaftliche Studien, die den Einfluss von Katzen auf Kleintiere und Vögel belegen sollen. Viele davon sind jedoch bei näherer Betrachtung entweder wissenschaftlich nicht haltbar oder weisen zumindest grobe Mängel auf". Es fehle somit an aussagekräftigen Belegen, die einen generellen Abschuss von Katzen rechtfertigen würden.

Die Landesjägerschaft Schleswig-Holstein hatte zuletzt Schlagzeilen gemacht, weil in dem Bundesland 2023 mehr als 2.500 Katzen erschossen wurden. Katzenhalter fordern, dass Katzen nicht mehr abgeschossen werden dürfen. Und die Jäger?

Ihr Vorschlag, um künftig hoffentlich seltener zum Gewehr greifen zu müssen: Ein verpflichtender Sachkundenachweis – auch "Katzenführerschein" genannt – für Katzenhalter, um Verantwortung und Wissen über artgerechte Haltung, Revierverhalten und mögliche Auswirkungen auf die Umwelt zu stärken. Für diesen Sachkundenachweis sollen Besitzer 455 Euro zahlen.

Katzenführerschein: Das sollen Katzenhalter lernen

Was genau geprüft wird, hat uns René Hartwig, Zuständiger für die Öffentlichkeitsarbeit des Jagdverbands SH, verraten: "Ein Sachkundenachweis für Halterinnen und Halter könnte beispielsweise ernährungsspezifische sowie haltungsspezifische Schwerpunkte beinhalten wie zum Beispiel auch Tierkrankheiten, aber natürlich auch Themen wie Räuber-Beute-Beziehungen und der Einfluss von verwilderten/wildernden Katzen auf die Biodiversität im Zusammenhang mit heimischen Arten, die in das Beutespektrum von Katzen fallen."

Marcus Börner, Geschäftsführer des Landesjagdverbands, ist überzeugt: "Wir sehen es als zwingend notwendig an, einen Sachkundenachweis einzuführen, damit sich künftige Katzenhalter auch mit dem Einfluss auf Natur und Umwelt auseinandersetzen." Laut Hartwig "könnte der Sachkundenachweis von Veterinärmedizinern und Veterinärmedizinerinnen abgenommen werden". Im Gegensatz zum Hundeführerschein, bei dem zertifizierte Trainer und Tierärzte prüfen dürfen, bleibt bei der Katze jedoch unklar, ob es offizielle Prüfstellen gibt.

Jäger erschießen Freigänger – wie hilft der Katzenführerschein?

Hochgerechnet auf ganz Deutschland sei Schätzungen des Tierschutzbundes zufolge davon auszugehen, dass Jäger jährlich mehrere Zehntausend Katzen und weit über hundert Hunde töten. Um zu verhindern, dass verwilderte oder freilaufende Katzen bedrohte Arten jagen, dürfen die Jäger in Schleswig-Holstein tatsächlich zur Waffe greifen. Zum Abschuss freigegeben sind laut Gesetz Katzen, die im Jagdbezirk weiter als 200 Meter vom nächsten Haus angetroffen werden. Es sei allerdings nicht Ziel, gezielt Haustiere zu töten, betont der Landesjagdverband.

Abhilfe schaffen soll der Katzenführerschein. "Dadurch, dass die Halterinnen und Halter mittels Sachkundenachweis für die eigene Verantwortung in Bezug auf die Haltung von Katzen sensibilisiert werden, wird ein Beitrag für die Biodiversität geleistet, indem zum Beispiel der Freigang zu kritischen Zeiten, wie der Brut- und Setzzeit durch die Halterinnen und Halter überwacht werden kann", erklärt Hartwig.

Nur: Lassen sich Katzen so leicht kontrollieren? Sie lassen sich – anders als Hunde – meist nicht anleinen, nicht führen, und sie bewegen sich völlig autonom. Auch mit einem teuren Sachkundenachweis stünden Halter vor der Frage: Halte ich meine Katze drinnen oder lasse ich sie raus? Denn sobald sie draußen ist, endet die Kontrolle. Ein GPS-Tracker zeigt vielleicht noch, wo sich die Katze aufhält. Man sieht aber nicht, was sie dort tut.

Fest steht aber auch: In der Brut- und Setzzeit sollten Miezen drinnen bleiben, um zu vermeiden, dass sie in der Umgebung Vögel und Kleintiere erbeutet. Bei vielen Katzenrassen ist der Jagdinstinkt jedoch so stark ausgeprägt, dass dies an Tierquälerei grenzt. Eine Situation, bei der Halter jedes Jahr, auch mit theoretischem Katzenführerschein, eine Entscheidung im Interesse ihrer Samtpfote treffen müssen.

Katzenführerschein: Bald Pflicht für Katzenhalter?
Katzenführerschein: Bald Pflicht für Katzenhalter? © Foto: unsplash.com/Piotr Musiol (Symbolfoto)

Wildernde Katzen: Kastration als einzige Lösung?

Was also könnte noch helfen? Aus Sicht vieler Tierschützer und Experten ist Kastration der einzige wirksame Hebel. GPS-Tracker, Führerschein und Informationsbroschüren bringen wenig, wenn sich die Zahl der verwilderten Katzen ungehindert weiter erhöht. In Schleswig-Holstein gibt es schätzungsweise 75.000 verwilderte Katzen – bei den letzten Kastrationsaktionen konnten jedoch nur knapp 2.000 Tiere eingefangen und kastriert werden.

Innerhalb von neun Jahren hat das Bundesland zwischen 2014 bis Herbst 2023 rund 27.600 Katzen kastriert, teilte das Landwirtschaftsministerium mit. Die Fortpflanzung verläuft schneller als jede Maßnahme. In der Zeit, in der ein Teil der Streuner kastriert wird, haben sich andere schon wieder weiter vermehrt.

Immerhin: Tatsächlich plant das Land Schleswig Holstein derzeit, eine Kastrationspflicht für Katzen einzuführen.

Bei einigen bedrohten Arten wie dem Star liegt das Problem nicht bei der Katze, sondern beim Menschen: Klimawandel, Pestizide, intensive Landwirtschaft und fehlende Rückzugsräume wie Brachen oder Wildwiesen haben einen deutlich größeren Einfluss auf die Vogelpopulation als Hauskatzen.

Das bestätigt auch die Rote Liste der Brutvögel Schleswig-Holsteins. Zwar heißt es dort, dass freilaufende Katzen eine Rolle spielen. Aber es gebe viele andere, oft menschengemachte Gefahren wie Glasfassaden, Straßenverkehr oder Zersiedlung.

Tierschützende raten Hunden- und Katzenhaltern, ihre Tiere kastrieren, chippen und in einem Haustierregister wie "Findefix" oder "Tasso" registrieren zu lassen. Das hilft nicht nur dabei, entlaufene Tier wiederzufinden. "So helfen Sie, die Zahl der frei lebenden Katzen langfristig zu verringern", hebt der Tierschutzbund hervor.

Katzen machen ihr Ding

Für Hunde gibt es klare Regeln: Leinenpflicht, Erziehung, Training, Kontrolle im öffentlichen Raum. Katzen leben meist deutlich autonomer. Sie streunen oft kilometerweit durch Gärten, über Dächer und durch Wälder. Besitzer können weder das Jagdverhalten noch die sozialen Kontakte ihrer Katze kontrollieren. Sie können auch nicht verhindern, dass die Miezen auf ihren Streifgängen Vögel jagen oder mit anderen Katzen in Konflikt geraten.

Wie umsetzbar ist der Katzenführerschein?

Katharina Erdmann, die Tierschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, meint: "Bei der Großzahl an Katzenhaltern oder neuen Katzenhaltern, die wir im Zweifel haben, kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass der Katzenführerschein umsetzbar ist."

In Schleswig-Holstein leben laut einer repräsentativen Erhebung des Industrieverbandes Heimtierbedarf (IVH) und des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands (ZZF) schätzungsweise rund 16.900 Hauskatzen pro 100.000 Einwohner, so "pet-online". Bei einer Bevölkerung von etwa 2,9 Millionen ergibt das insgesamt etwa 491.000 Hauskatzen im Bundesland. Insgesamt sind es also schätzungsweise etwa 566.000 Katzen, zählt man die freilebenden Samtpfoten hinzu.

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Wer im Nachgang überprüfen soll, ob tatsächlich auch alle Halter einen Katzenführerschein haben, ist ebenfalls unklar. Auch wie hoch die Strafe sein sollte oder welche weiteren Konsequenzen es geben sollte, wenn die Katzenhalter keinen Führerschein haben, ist noch offen.   © Deine Tierwelt